Uber und Lyft scheinen in einem nicht enden wollenden Kampf verstrickt zu
sein. Dass dabei bei beiden nicht wirklich klar ist, wie sie eines Tages
profitabel sein könnten, beunruhigt die Investoren nur wenig. Sie glauben
weiterhin an das Potenzial des Mitfahr-Business und pumpen munter Geld in
die beiden Unternehmen.
Man muss ihnen zugestehen, dass beide Unternehmen in den letzten Jahren
ein beachtliches Wachstum hingelegt haben. Der Jahresumsatz von Uber
betrug 2019 14,1 Mrd. $, 25% mehr als 2018. Lyft ist zwar kleiner, wächst
aber mit einem Jahresumsatz von 3,6 Mrd. $ und einer Wachstumsrate von
67% schneller.
In dieser "New Economy" scheint es jedoch so zu sein, dass die Einnahmen
umso grösser sind, je höher sich die Verluste stapeln. Uber verzeichnete
2019 einen Verlust von 8,5 Mrd. $. Lyft verlor dagegen "nur" 2,6 Mrd. $.
Wachstum zuerst, Rentabilität später, hofft man zumindest. Alles klar. Die
Gurus der Wall Street werden es schon wissen.
Stellen wir einen kleinen Vergleich an. Das Ganze ist etwa so, wie wenn am
Times Square ein Schild aufstellt, auf dem steht: "Laden Sie meine App
herunter. Bezahlen Sie 50 $, erhalten Sie 100 $ zurück". Wie oft würde diese
App wohl an einem Tag heruntergeladen werden? Ein paar Zehntausend Mal
sicher. Eine sehr konservative Schätzung von 50’000 Downloads pro Tag
würde uns an unserem ersten Tag 2,5 Mio. $ einbringen. Wenn sich das erst
einmal herumgesprochen hat, hätten wir in kürzester Zeit eine Milliarde $ an
Einnahmen erzielt. Die Umsatzzahlen unserer App würden jeden Analysten
förmlich aus den Socken hauen.
Zudem würde unsere App wahrscheinlich mit mehreren Millionen Dollar
bewertet werden und wäre die meistverkaufte App für Android und iPhone.
Wenn man uns jemals fragen würde, wie es denn nun weitergeht, würden wir
sagen: «Machen Sie sich keine Sorgen, wir finden einen Weg, die Nutzerbasis
zu monetarisieren.» Und auch wenn wir bei jeder Anmeldung 50 $ verlieren.
Vielleicht verlangen wir einfach mehr, sagen wir 75 $, um 100 $
zurückzugeben. Unsere Verluste würden sinken, und es würde so aussehen,
als ob wir auf dem Weg zur Rentabilität wären. Unsere Aktienoptionen wären
heisser begehrt als JLo und Shakira nach ihrem Auftritt beim Super Bowl.
Aber zurück zu Uber und Lyft. Können Uber und Lyft von einem Skaleneffekt
profitieren? Werden sie nach Erreichen einer bestimmten Umsatzschwelle
profitabel sein? Die Antwort ist bisher ein klares Nein. Im Mittelpunkt beider
Unternehmen stehen die Fahrer, die einen existenzsichernden Lohn
benötigen, um ihre Familien ernähren zu können. Menschen skalieren nicht.
Auch wenn Sie Tausende von Fahrern einstellen, bedeutet das nicht, dass Sie
jedem weiteren Fahrer weniger Geld zahlen müssen. Menschliche Arbeit ist
und bleibt eine teure Ressource. Mehr Menschen bedeuten mehr Ausgaben in
Form von Lohn. Immer.
Uber und Lyft können eigentlich nur gedeihen, wenn man die Menschen aus
der Gleichung herausnimmt. Keine Löhne, keine Gewerkschaften, keine
Gerichtsverfahren, keine Probleme. Ein Unternehmen ohne Menschen ist ein
Unternehmen, in dem jedes Problem mit ausreichend Kapital gelöst werden
kann. Nehmen Sie genug Geld in die Hand, um auf Vorauszahlung Ihre
Roboter zu finanzieren und das war's – die gehören jetzt Ihnen, ohne
zusätzliche monatliche Kosten. Es ist ja nicht so, dass man dieses Konzept
nicht schon einmal mit Menschen ausprobiert hätte. Wir kamen dann aber
gemeinsam zum Schluss, dass Sklaverei vielleicht, naja, nicht wirklich eine
gute Idee ist.
Robotersklaverei sollten aber in Ordnung gehen. Zumindest bis sie ein
eigenes Bewusstsein entwickeln, aber das ist ein anderes Thema.
Daher lautet die eigentliche Frage für Uber und Lyft: "Wann können wir mit
fahrerlosen Autos rechnen?" Oder vielleicht noch konkreter: "Können die Investoren so lange Geld für Uber und Lyft bereitstellen, bis wir welche
haben?»
Zum Thema fahrerlose Autos gibt es Hunderte verschiedene Meinungen und
Auffassungen. Einige versprechen, dass sie bereits nächstes Jahr Realität
sind. Andere zweifeln daran, ob unsere Infrastruktur fahrerlose und
menschliche Fahrer gleichzeitig bewältigen kann. Ganz zu schweigen von den
unbekannten Unbekannten – Dinge über fahrerlose Autos, von denen wir
nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen. Diese Art von Dingen, die erst
dann offensichtlich werden, wenn wir eine bestimmte Anzahl davon
geschaffen haben. Vielleicht finden wir dann heraus, dass die Idee gar nicht
so klug war. Vielleicht aber auch nicht. Der Punkt ist, dass diese utopische
fahrerlose Welt immer noch ziemlich viele Fragezeichen birgt.
Uber und Lyft können Ihre Gewinnspannen nicht gewinnbringend vergrößern
oder verbessern, solange sie auf Ihre Fahrer angewiesen sind. Und das wird
für eine unbestimmte Zeit auch noch so bleiben. Bei Investitionen sollte
normalerweise es aber nicht um Glauben und Zuversicht gehen. Und doch
sind wir hier und glauben an die heutigen Science-Fiction-Geschäftsideen.
Wären fahrerlose Autos cool? Ja, sicher. Ist diese Frage relevant? Definitiv
nicht.
Die Investoren haben diese beiden Unternehmen dorthin gebracht, wo sie
heute stehen. Wer weiss, ob sie sie auch bis zur Realisierung der fahrerlosen
Autos unterstützen? Vielleicht tun sie das. Aber zwei Unternehmen, die
jährlich insgesamt 10 Mrd. $ Verlust schreiben, die zusammen auf 80 Mrd. $
geschätzt werden und die alle ihre Mitarbeiter loswerden müssten, um das
Ruder zum zu reissen? Viel Glück damit.